Für die Königin in dir

Dies ist eine Botschaft für all unsere Schwestern. Es ist auch ein Brief von dir an dich selbst. Ein Ruf, so alt wie das weibliche Prinzip und so frisch wie dieser Moment.

Jede von uns ist einzigartig und doch sind wir eins.

Ich schreibe dir, um dich daran zu erinnern, dass du wichtig bist. Was du heute denkst, wie du fühlst und handelst, webt Fäden in den großen Teppich des Lebens.

Du legst heute ein Muster an, in dem unsere Töchter und Enkelinnen morgen und übermorgen etwas darüber wissen werden, was es bedeutet, eine Frau zu sein.

Schwester, es ist an der Zeit, dass wir wieder im Kreis zusammenkommen. Egal, wie jung oder alt wir sind. Egal, welchem Beruf wir nachgehen und an was wir glauben. Wir können uns gegenseitig stärken und lehren.

Schwester, ob du willst oder nicht, du bist eine Lehrerin des Lebens. Deine Kinder schauen auf dich. Deine Schwestern orientieren sich an dir. Die Männer folgen dir fasziniert, wenn deine Botschaft klar ist.

Wir haben viel zu lange geschlafen und die Führung Männern überlassen, die ihre Mission verloren haben. Wir haben uns kleingemacht. Wir haben uns dumm gestellt. Wir haben gegeneinander gekämpft, um „ein Männchen“ abzubekommen. Damit ist jetzt Schluss. Dies ist das Zeitalter, in dem die Königin zurückkehrt. Die Königin wird nicht über jemanden herrschen. Sie wird im Namen der Liebe führen und dienen. Es ist Zeit, meine Schwester, dass wir uns erheben. Nicht GEGEN die Männer, sonder FÜR das Leben. Es ist Zeit, dass wir uns erinnern. wir wissen viel mehr über das Leben, seine Gesetze und Rhythmen, als wir bis jetzt denken.

Die Wahrheit in uns registriert, ob um uns herum echt oder falsch gesprochen, lebensfördernd oder egofütternd gehandelt wird. Wir wissen das. Wir wussten das schon immer. Es ist Zeit, dass wir uns wieder zu der Macht in uns bekennen. Nur dieses Mal wesentlich bewusster. Es ist keine Macht. Es ist die Macht des Lebens selbst, das immer – egal was unser Verstand es sagt – auf einer tiefen Ebene um die Einheit aller Wesen weiß. Es ist die Macht, die alle Formen hervorbringt und dennoch davon unberührt bleibt. Es ist der stille Urgrund, der die Welt gebiert, sie nährt, sie auf ihrem Höhepunkt feiert und sie, wenn sie wieder stirbt, liebevoll in ihrem Schoß empfängt.

Wir wissen das alles. Stimmt‘s Schwester? Wir sind die Geburt, der Wandel, der Puls, das Kommen und Gehen, das Leben und das Sterben. Wir sind der erste Schrei unserer Kinder, das lustvolle Stöhnen der wilden Tiere, das tiefgründige Lachen einer alten, weisen Frau und die Stille der Nacht.

Die Königin schlief ein.

Sie überließ den Palast dem brennenden Ehrgeiz kleiner Jungen und dem zynischen Desinteresse verlorener Krieger. Es ist Zeit, dass sie aufwacht, dass sie zurückkehrt. Nicht irgendwo, sondern in dir. Es ist Zeit, den Kreis zu erneuert, den wir vor tausenden von Jahren aus der falsch verstandenen Liebe zu einem Mann aufgaben. Es ist Zeit, dass wir unser Konkurrenzgehabe fallen lassen und uns gemeinsam auf unsere Würde besinnen.

Wir haben von Männern auch viel Wertvolles gelernt. Unser Logos ist gereift. Wir werden nicht mehr nur in Ahnungen sprechen, sondern die Dinge klar benennen. Wir werden komplex fühlen und klar denken. Wie waren im Untergrund. Jetzt sind wir zurück.

Eine Königin verführt nicht. Sie unterdrückt nicht. Sie manipuliert nicht. Ihre Autorität entsteht ganz natürlich von innen. Es ist das lebendige und leuchtende Leben in ihr, das jeden, der leben will, ganz natürlich dazu verführt, sich für ihre Botschaft zu öffnen und auf sie zu hören.

Was ist die Botschaft? Es ist die Quelle deiner Kraft. Es ist die Liebe.

Doch lass uns ehrlich sein. Wie oft haben wir von Liebe gesprochen und damit unsere Bedürftigkeit ausgedrückt? Wie oft verwechselten wir Gefühlsduselei mit Liebe? Wie häufig missbrauchten wir Liebe, um unsere Kinder festzuhalten und zu kontrollieren? Wie oft sind wir im Namen der Liebe irgendeinem langweiligen, groben oder verstörten Kerl hinterher gerannt und haben es zugelassen, dass er uns nicht wie eine Königin, sondern wie eine Bettlerin behandelt? Wir müssen all die falschen Mythen rund um die Liebe zerstören, damit sie neu und befreit von alten Konzepten durch uns sprechen kann.

Wir meckern über die Männer, doch die Wahrheit ist: Es war UNSERE Bedürftigkeit, die den Standard an Beziehungen so herabgesetzt hat. Viele Männer wollen es nicht hören und viele Frauen auch nicht: wir waren es, die die Erwartungen an eine heilige Beziehung so bedauerlich tief heruntergeschraubt haben. Wie alle erschaffen einander in unseren Beziehungen.

Unsere Worte richten sich nicht gegen die Männer. Wir achten ihre ureigene Schönheit. Wir sehen den Samurai in ihm. Doch wie soll er sich in der Beziehung zu dir erkennen und sein wahres Potential entfalten, wenn sich die Königin wie eine Bettlerin benimmt?

Stell dich nackt vor dem Spiegel und schaue genau hin.

Bist du das?

Bist du da drin?

Wer bist du?

Was macht dich wirklich schön?

Wie soll dich ein Mann erkennen, wenn du nicht weißt, wer DU wirklich bist?

Wie soll ein Mann deine Schönheit sehen, wenn du sie nicht selber fühlst?

Ist unsere Bedürftigkeit echt? Nein! Auch wenn sie sich, einmal getriggert, so anfühlt, dass du gleich aus Mangel sterben wirst. Sie ist nicht echt. Doch sie ist eine ungeheuer mächtige Illusion. Eine Königin muss sich ihrer größten Angst stellen:

allein zu sein. Du musst bereit sein, den Schmerz und die Furcht dieser Wunde wie eine Welle über dir zusammenschlagen zu lasen und dennoch innerlich nicht einzuknicken.

Hier, genau hier, werden die Königinnen geboren.

Eine Königin lernt, Einsamkeit nicht nur zu ertragen, sondern sogar zu genießen. Anstatt die Verbindung zu allem immer wieder nur über das Außen zu suchen, wendet sie sich immer wieder auch nach innen. Sie taucht durch Schichten von Ablenkung, Sehnsucht und Ohnmacht tiefer und tiefer, bis sie in sich auf den Urgrund des Seins findet.

Wenn du bereit bist, die Form loszulassen, so wie der Baum im Herbst die Blätter loslässt, bist du frei. Dann bist du bereit für die Königin in dir. Diese rennt niemandem hinterher. Sie ruht in der Mitte ihres Reiches. Sie liebt. Sie dient. Sie lädt ihren Liebsten ein, den Thron mit ihr zu teilen. Doch wenn er noch nicht so weit ist oder nicht der Richtige, lässt sie ihn ziehen. So wie sie ihre Kinder ziehen lässt, weil sie weiß, dass sie sie zwar geboren hat, sie aber dem Leben selbst gehören. Eine Königin fühlt alles und vertraut.

Das ist der kosmische Witz, Schwester.

Wir haben vergessen, dass wir die gesamte Welt immer in uns tragen, und rennen ihr deshalb im Außen hinterher. Der Mann, den du suchst, ist in DIR. Dein Kind, das du in die Welt ziehen lassen musst, es lebt für immer in dir. Dieser innere Zugang zur Einheit des Lebens ist unser Mysterium. Unsere wahre Macht. Vor langer, langer Zeit haben wir diesen Zugang in unseren Tempeln und Ritualen genutzt und gefeiert. Dann haben wir die Erklärung der Welt den Männern überlassen. Ihre Götter lebten nicht hier, sondern irgendwo da oben. Sie waren unnahbar und streng. Sie richteten über den Menschen, anstatt mit und in ihm zu tanzen. Sie fürchteten unsere Lust.

Jetzt können sich Männer und Frauen gemeinsam fragen:

– Was ist unsere gemeinsame Vision von Liebe?

– Wie können wir auf moderne Weise Mystik erfahren und teilen?

Wir brauchen einen neuen, zeitgemäßen Zugang zum Mysterium. Schau dich unter uns Schwestern um. Wie viele Frauen kennst du, die nicht im Außen nach Bestätigung suchen, sondern von innen heraus leuchten? Wie viele Frauen kennst du, die wissen, wie sie aus ihren inneren Quellen der Kraft schöpfen?

Was ist mit der Spiritualität geschehen?

Feenstaub, Kristalle, Räucherstäbchen?

Wo ist das Blut? Wo riecht es nach dem Schweiß unserer Lust? Wo hörst du das wilde, raue Lachen einer ungezähmten Frau? Wie willkommen ist unsere dunkle Seite? Wann und wie intensiv durchflutet uns Extase?

Um zu unserer Kraft zu finden, müssen wir schonungslos ehrlich mit uns sein:

Wo verraten wir uns?

Wo betteln wir?

Wo machen wir uns klein?

Das Geheimnis wahrer Schönheit ist Eros. Die Urkraft des Lebens. Lade sie ein. Lass dich von ihr nehmen, führen. Eros ist überall, wenn wir uns für ihn öffnen.

Lass Eros aufsteigen. Von innen. Aus der Tiefe. Lebe Eros in allem, was du tust. Dein Hüftspeck, deine Lachfalten sind kein Makel mehr, sondern ein weiterer Ausdruck deiner erotischen Vollkommenheit. Wir Frauen sind hier, um die Schönheit des Lebens zu fühlen und zu feiern. Wir sind die modernen Hohepriesterinnen des Eros. Rufe seine Kraft in dir wach.

Atme, lache, stöhne, wüte, bis jede Zelle deines Körpers vor Leben vibriert. Das Leben strömt durch deinen Körper und wird sich durch die für dich angemessene Form ausdrücken. Und wenn Eros in dir jubiliert, kleide deinen Körper so, dass jeder und jede sieht: hier, in diesem Körper, feiert sich die Kraft des Lebens selbst.

Also lass dich von der Leine, Schwester.

Befreie deine Lust. Egal, wie alt du bist, erfahre sie auf eine für dich würdevolle Weise. Sie ist eine der stärksten Quellen unserer Kraft. Eine Frau, die die Lust des Lebens frei empfängt, in den Lenden, dem Herzen, dem Geist – ist unwiderstehlich schön. Denn jeder, der selbst wach ist, wird den Eros der Schöpfung in dir wittern und darauf reagieren.

Ich meine übrigens nicht nur die körperliche Lust. Es gibt noch tausend Kanäle, wie du sie feiern kannst. Du kannst lustvoll Debatten führen, kochen, Häuser bauen, lachen… Es ist nicht, WAS du tust. Es ist, WIE du dabei bist.

In jeder Frau existiert auch Kali, die indische Göttin der Zerstörung und Erneuerung. Kali lebt ihren heiligen Zorn. Sie zerstört mit dieser Kraft das Alte und das Unechte. So erschafft sie Raum für das Neue.

Das Patriarchat hat nicht nur unsere Lust, sondern auch unseren Zorn unterdrückt. Männer, die schwach sind, fürchten beide Ausdrucksformen unserer Leidenschaft – den Zorn und den Eros. Denn eine Frau, die frei, lustvoll und zornig sein kann, lässt sich nicht mehr kontrollieren. Doch vor allem fürchten wir uns selbst davor. Wir fürchten uns vor dem Kontrollverlust.

Deine Wut, Schwester, ist heilig. Du weißt in jeder Zelle deines Körpers, wie schön und freudvoll die Schöpfung sein kann. Wenn deine Lust am Leben keinen freien Ausdruck findet, weil sie durch Regeln, Dogmen, Männer oder dich selbst begrenzt wird, wandelt sie sich in eine wütendes Feuer. Entweder du gibst diesem Feuer eine konstruktive Richtung, indem du zornig alle Ketten sprengst, oder dieses Feuer frisst dich von innen auf.

Doch in deinem tiefsten inneren weißt du es besser, du Königin. Geh nach innen. Schöpfe Kraft. In der Stille, in der Lust, in wahrer Schönheit, in Mitgefühl und im Zorn. Lass dich nehmen und verwandeln. Erfahre, dass dir nichts fehlt und dass du wunderschön bist. Dann komm heraus und lebe.

Suche dir einen Kreis von Schwestern, die Kraft jagen, indem sie Verantwortung übernehmen.

Schaffe dir Räume und regelmäßige Zeiten – unter Schwestern, aber auch mit den wichtigsten Männern in deinem Leben, in denen du deine Gedanken und Gefühle unzensiert ausdrücken kannst.

Wenn du Männer in deinem Leben hast, die du auf diese Reise mitnehmen möchtest, mach ihnen das größte Geschenk deiner Liebe: Lass sie los. Hast du es schon bemerkt? Dein Zerren, Warten, Betteln, Meckern macht ihn nicht stark. Du blockierst seine Entwicklung.

Stattdessen kannst du ihm anbieten, deine kostbare Lebenszeit, deinen einzigartigen Entwicklungsprozess, alle Phasen deiner Blüte mit ihm zu teilen. Wenn er ein reifer Mann ist, wird er sich geehrt fühlen. Wenn er noch nicht soweit ist, wird er ignorant oder abwehrend reagieren. Auch wenn dies dein Herz bricht, lass ihn los. Geh entschlossen und sanft deinen Weg.

Die anderen werden etwas in uns atmen sehen, was nicht von ihrer Zustimmung abhängig ist. Sie werden etwas in uns erkennen, was sie alle wollen: Freiheit und Einheit.

Schwester, lass uns lernen, gut für uns zu sorgen. Körperlich, geistig, spirituell. Denn erst wenn wir die Welt da draußen nicht mehr für unsere Bedürftigkeit missbrauchen, werden wir als Königinnen durchs leben gehen können.

Kümmere dich um dich. Besorge es DIR. Stärke dich. Triff dich mit Schwestern. Finde Freude und Lust in dir, bis jede Zelle deines Körpers davon vibriert.

Lass uns herausfinden, was unsere Körper ausstrahlen, wenn die Königin in uns erwacht. Der Tempel mag verwaist sein, doch noch immer wartet sie darin auf uns: die erste Mutter. Der Urgrund. Der Zorn und die Lust. Und alle anderen Gefühle. Alles darf da sein.

Wir tauchen ein. Wir erneuern uns. Wir kommen zurück.

Wir Frauen erschaffen seit je her. So wie wir im Kreißsaal Kinder gebären, werden wir in unseren Kreisen eine neue Welt gebären. Eine Welt, in der die Kunst und das Teilen, der Genuss und das Heilen wieder im Mittelpunkt stehen. Wir sind von Natur aus kreativ. Lass uns gemeinsam toben, weinen, lieben. Lass uns gestalten. Offene Familien, starke Gemeinschaften, neue Unternehmen. Städte, in denen die Einsamkeit geheilt wird und jeder ein WIR spüren kann. Wir werden die Generationen wieder an einen Tisch bringen. Wir werden Arbeit in Freude verwandeln. Wir sind wieder da, und wir sind nicht allein. Die Kreise der Schwesternschaft kommen überall wieder zusammen. Beim Yoga, beim Erziehen der Kinder, unter Kolleginnen, in Vereinen und Projekten. Warte nicht darauf, dass es in deiner Umgebung passiert. Gib den Frauen, die dich interessieren, diesen Brief. Lade sie ein, mit dir darüber zu sprechen.

Eröffnet einen Kreis.

Aus dem Buch „Königin und Samurei“ von Veit Lindau & Andrea Lindau

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um Ihnen das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung Ihrer Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Schließen